Eigenbedarfskündigung nach Kauf: Rechtliche Grundlagen und Handlungsmöglichkeiten

Bei einer Eigenbedarfskündigung nach Immobilienkauf muss der Vermieter besondere gesetzliche Regelungen beachten, insbesondere die Sperrfrist von drei bis zehn Jahren bei umgewandelten Wohnungen, die mit der erstmaligen Veräußerung nach Umwandlung beginnt. Die Kündigung erfordert eine schriftliche Form mit eigenhändiger Unterschrift sowie eine detaillierte und nachvollziehbare Begründung des Eigenbedarfs, die Angaben zur Person, zum Nutzungswunsch und zur Erforderlichkeit der spezifischen Wohnung enthalten muss. Mieter können der Kündigung widersprechen, wenn ein Härtefall nach der Sozialklausel (§ 574 BGB) vorliegt, wobei das Gericht dann eine Interessenabwägung zwischen den Belangen des Vermieters und des Mieters vornimmt.

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Das Wichtigste im Überblick

  • Bei einer Eigenbedarfskündigung nach Immobilienkauf sind besondere gesetzliche Regelungen zu beachten, insbesondere die Sperrfrist bei Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen.
  • Die Kündigung erfordert einen ernsthaften, nachvollziehbaren Eigenbedarf und eine detaillierte Begründung durch den neuen Eigentümer.
  • Mieter haben verschiedene Widerspruchsmöglichkeiten, besonders bei sozialen Härtefällen oder formellen Mängeln der Kündigung.

Wenn der neue Eigentümer selbst einziehen möchte

Die Eigenbedarfskündigung nach dem Kauf einer vermieteten Immobilie ist ein häufiger Konfliktpunkt im deutschen Mietrecht. Wenn ein neuer Eigentümer eine bereits vermietete Wohnung erwirbt und diese selbst nutzen möchte, prallen verschiedene geschützte Rechtspositionen aufeinander: Das Eigentumsrecht des Käufers steht dem Bestandsschutz des Mieters gegenüber.

Der Gesetzgeber hat für diese Konfliktsituation besondere Regelungen geschaffen, die sowohl die Interessen des Eigentümers als auch den Schutz des Mieters berücksichtigen sollen. In der Praxis führen Eigenbedarfskündigungen jedoch häufig zu rechtlichen Auseinandersetzungen, da die Voraussetzungen für eine wirksame Kündigung streng sind und viele Fallstricke lauern.

Dieser Artikel beleuchtet die rechtlichen Grundlagen der Eigenbedarfskündigung nach Immobilienkauf, die Rechte beider Parteien und gibt praktische Hinweise für Vermieter und Mieter.

Rechtliche Grundlagen der Eigenbedarfskündigung

Gesetzliche Basis und Definition des Eigenbedarfs

Die Eigenbedarfskündigung ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankert. Nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB liegt ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses insbesondere vor, wenn er die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt.

Der Begriff des Eigenbedarfs umfasst dabei nicht nur den Vermieter selbst, sondern auch einen erweiterten Personenkreis:

  • Familienangehörige (Kinder, Eltern, Geschwister, Enkel)
  • Ehegatten und Lebenspartner
  • Personen, mit denen der Vermieter einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt führt


Wichtig ist, dass der Eigenbedarf vernünftig und nachvollziehbar begründet sein muss. Eine bloße Behauptung oder ein vages Nutzungsinteresse reicht nicht aus. Der Bundesgerichtshof (BGH) verlangt einen ernsthaften, vernünftigen und nachvollziehbaren Grund für den Nutzungswunsch.

Sperrfristen nach Immobilienkauf

Bei einer Eigenbedarfskündigung nach dem Kauf einer vermieteten Immobilie können besondere Regelungen gelten. Nach § 577a BGB besteht eine Sperrfrist von drei Jahren, innerhalb derer eine Eigenbedarfskündigung grundsätzlich ausgeschlossen ist, wenn Mietwohnungen in Wohnungseigentum umgewandelt und anschließend verkauft werden. 

Diese Sperrfrist kann durch Landesrecht auf bis zu zehn Jahre verlängert werden. In Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt haben viele Bundesländer von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, um Mieter besser zu schützen. In Frankfurt/Main beträgt diese Sperrfrist aktuell 8 Jahre, bzw. 5 Jahre für Wohnungen, die vor dem 01.09.2019 veräußert wurden.

Die Sperrfrist beginnt mit dem Tag der erstmaligen Veräußerung der Wohnung nach der Umwandlung in Wohnungseigentum. Sie gilt auch für nachfolgende Erwerber innerhalb dieser Frist.

Ausnahmen von der Sperrfrist

Von der Sperrfrist gibt es Ausnahmen, insbesondere wenn der Erwerber bereits vor der Umwandlung Mieter der Wohnung war (§ 577a Abs. 1a BGB). Weitere Ausnahmen können sich im Einzelfall aus höherrangigem Recht ergeben, sind aber nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt.

Es ist wichtig zu beachten, dass auch nach Ablauf der Sperrfrist die normalen gesetzlichen Kündigungsfristen gelten und der Eigenbedarf nach wie vor substantiiert begründet werden muss.

Die formellen Anforderungen an eine wirksame Eigenbedarfskündigung

Formvorschriften

Eine Eigenbedarfskündigung muss zwingend schriftlich erfolgen und vom Vermieter eigenhändig unterschrieben sein (§ 568 BGB). Eine Kündigung per E-Mail oder Fax ist nicht ausreichend und damit unwirksam.

Begründungspflicht

Der Vermieter muss den Eigenbedarf bereits im Kündigungsschreiben ausführlich und konkret begründen. Dabei sollte die Begründung folgende Elemente enthalten:

  • Die genaue Bezeichnung der Person, für die der Eigenbedarf geltend gemacht wird
  • Die Beziehung dieser Person zum Vermieter
  • Eine Darlegung der konkreten Nutzungsabsicht
  • Eine Erläuterung, warum gerade diese Wohnung benötigt wird
  • Bei Umzugswunsch: Gründe für den Wohnungswechsel


Die Rechtsprechung verlangt eine ausführliche und nachvollziehbare Begründung, damit der Mieter die Kündigung auf ihre Berechtigung prüfen kann. Pauschale Begründungen wie „wegen Eigenbedarfs“ oder „für Familienangehörige“ sind nicht ausreichend und führen zur Unwirksamkeit der Kündigung.

Gesetzliche Kündigungsfristen

Auch bei einer Eigenbedarfskündigung gelten die normalen gesetzlichen Kündigungsfristen nach § 573c BGB:

  • Grundsätzlich drei Monate
  • Bei einer Mietdauer von mehr als fünf Jahren: sechs Monate
  • Bei einer Mietdauer von mehr als acht Jahren: neun Monate


Die Kündigung muss spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats ausgesprochen werden, sofern im Mietvertrag keine abweichende Regelung getroffen wurde.

Rechte und Pflichten des Mieters

Widerspruchsrecht und Sozialklausel

Der Mieter hat das Recht, einer Eigenbedarfskündigung zu widersprechen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn oder seine Familie eine besondere Härte bedeuten würde (§ 574 BGB, Sozialklausel).

Härtefälle können vorliegen bei:

  • Hohem Alter des Mieters
  • Schwerer Krankheit oder Behinderung
  • Schwangerschaft
  • Fehlender zumutbarer Ersatzwohnung
  • Langer Mietdauer
  • Anstehenden wichtigen Prüfungen oder Schulabschlüssen
  • Kürzlich erfolgten umfangreichen Renovierungen durch den Mieter


Der Widerspruch muss spätestens zwei Monate vor Ablauf der Kündigungsfrist schriftlich erklärt werden. Im Streitfall entscheidet das Gericht, ob das Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses das Interesse des Mieters am Fortbestand überwiegt.

Überprüfung der Kündigungsbegründung

Der Mieter sollte die Kündigungsbegründung sorgfältig auf ihre Plausibilität und Vollständigkeit überprüfen. Wesentliche Aspekte sind:

  • Ist die Person, für die Eigenbedarf geltend gemacht wird, tatsächlich begünstigt im Sinne des Gesetzes?
  • Ist der Nutzungswunsch vernünftig und nachvollziehbar begründet?
  • Bestehen Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Eigenbedarfs?
  • Wurden die formellen Anforderungen eingehalten?


Bei Zweifeln an der Berechtigung des Eigenbedarfs kann der Mieter den Vermieter auffordern, die Angaben zu konkretisieren oder nachzuweisen.

Räumungsklage und Rechtsmittel

Widerspricht der Mieter der Kündigung und zieht nicht aus, muss der Vermieter eine Räumungsklage erheben, um die Wohnung zu räumen. Im Prozess muss der Vermieter seinen Eigenbedarf vollständig nachweisen.

Der Mieter hat während des Verfahrens verschiedene Rechtsmittel:

  • Er kann den Eigenbedarf bestreiten und Beweise für dessen Nichtvorliegen anbieten
  • Er kann sich auf die Sozialklausel berufen
  • Er kann Formfehler der Kündigung geltend machen
  • Er kann eine Räumungsfrist nach § 721 ZPO beantragen


Im Rahmen einer Räumungsklage kommt es häufig zu einer gerichtlichen Anhörung des Vermieters, bei der dieser seinen Eigenbedarf detailliert darlegen und ggf. beweisen muss.

Die Perspektive des Vermieters: Voraussetzungen für eine erfolgreiche Eigenbedarfskündigung

Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit des Eigenbedarfs

Der Eigenbedarf muss ernsthaft und nachhaltig sein. Der BGH verlangt:

  • Eine konkrete Nutzungsabsicht
  • Die Absicht, die Wohnung auch tatsächlich selbst zu nutzen
  • Eine dauerhafte oder zumindest längerfristige Nutzungsabsicht


Ein nur vorübergehender Nutzungswunsch oder eine beabsichtigte Zwischennutzung reicht in der Regel nicht aus, um einen Eigenbedarf zu begründen.

Detaillierte Begründung und Nachweis

Der Vermieter sollte den Eigenbedarf bereits im Kündigungsschreiben detailliert begründen und ggf. Nachweise vorbereiten, falls der Mieter widerspricht. Dazu gehören:

  • Genaue Angaben zur Person, für die der Eigenbedarf geltend gemacht wird
  • Detaillierte Begründung des Nutzungswunsches
  • Nachweise für die Dringlichkeit (z.B. Arbeitsvertrag bei beruflichem Umzug)
  • Bei mehreren vermieteten Wohnungen: Begründung, warum gerade diese Wohnung benötigt wird


Je detaillierter und nachvollziehbarer die Begründung, desto höher sind die Erfolgsaussichten bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung.

Vermeidung von Rechtsmissbrauch

Eine Eigenbedarfskündigung kann rechtsmissbräuchlich sein, wenn:

  • Der Vermieter bereits bei Vertragsschluss oder Kauf der Immobilie mit dem Eigenbedarf rechnen musste, dies aber verschwiegen hat
  • Der Vermieter kurz nach der Kündigung die Wohnung an Dritte vermietet oder verkauft
  • Der Vermieter mehrere Wohnungen besitzt und eine andere, vergleichbare Wohnung frei ist oder in absehbarer Zeit frei wird


Das Gericht prüft bei Verdacht auf Rechtsmissbrauch besonders streng, ob der behauptete Eigenbedarf tatsächlich vorliegt.

Checkliste: Die wichtigsten Punkte zur Eigenbedarfskündigung nach Kauf

Für Vermieter:

  • Sperrfristen beachten bei Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen (3-10 Jahre je nach Region)
  • Formvorschriften einhalten (schriftlich, eigenhändig unterschrieben)
  • Eigenbedarf detailliert und nachvollziehbar begründen
  • Gesetzliche Kündigungsfristen einhalten
  • Rechtsmissbrauch vermeiden
  • Nach erfolgreicher Kündigung den Eigenbedarf tatsächlich umsetzen

Für Mieter:

  • Kündigungsschreiben sofort auf Formfehler und Plausibilität prüfen
  • Sperrfristen nach § 577a BGB prüfen
  • Bei Härtefall: Widerspruch innerhalb von zwei Monaten einlegen
  • Persönliche Situation dokumentieren
  • Ggf. anwaltliche Beratung einholen
  • Verhandlungsmöglichkeiten mit dem Vermieter ausloten

Häufig gestellte Fragen

Darf der neue Eigentümer einer Wohnung sofort wegen Eigenbedarfs kündigen?
Grundsätzlich ja, sofern keine Sperrfrist greift. Nach § 577a BGB gilt eine Sperrfrist von mindestens drei Jahren, wenn Mietwohnungen in Wohnungseigentum umgewandelt und anschließend verkauft werden. In vielen Regionen mit angespanntem Wohnungsmarkt, wie auch in Frankfurt am Main, gelten verlängerte Sperrfristen von bis zu zehn Jahren.
Eigenbedarf kann für den Vermieter selbst, seine Familienangehörigen (Kinder, Eltern, Geschwister, Enkel) sowie für Personen, mit denen der Vermieter einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt führt, geltend gemacht werden. Für entferntere Verwandte wie Cousins, Onkel oder Tanten ist dies in der Regel nicht möglich.
Eine pauschale Begründung reicht nicht aus. Der Vermieter muss detailliert darlegen, warum das Kind die Wohnung benötigt, etwa durch Angabe des Studienortes und -beginns, und warum keine andere Wohnung in Betracht kommt. Die Begründung muss nachvollziehbar und plausibel sein.
Bei Verdacht auf vorgeschobenen Eigenbedarf sollten Sie die Kündigungsbegründung genau prüfen und Widerspruch einlegen. Sammeln Sie Indizien, die gegen die Ernsthaftigkeit des Eigenbedarfs sprechen, etwa wenn der Vermieter mehrere Wohnungen besitzt oder der behauptete Bedarf unplausibel erscheint. Eine anwaltliche Beratung ist in solchen Fällen empfehlenswert.
Als kranker oder älterer Mieter können Sie sich auf die Sozialklausel nach § 574 BGB berufen und der Kündigung widersprechen, wenn der Auszug für Sie eine besondere Härte bedeuten würde. Untermauern Sie den Widerspruch mit ärztlichen Attesten oder anderen Nachweisen. Das Gericht wird dann eine Interessenabwägung zwischen Ihren Belangen und denen des Vermieters vornehmen.
Minderjährige Kinder allein stellen keinen automatischen Härtefall dar, können aber in die Gesamtabwägung einfließen, besonders wenn ein Schulwechsel droht oder besondere Bindungen im Wohnumfeld bestehen. Dokumentieren Sie die Situation Ihrer Kinder sorgfältig für einen möglichen Widerspruch.
Ein gesetzlicher Anspruch auf Entschädigung besteht nicht. In der Praxis sind jedoch Abstandszahlungen üblich, die frei zwischen Mieter und Vermieter verhandelt werden können. Die Höhe orientiert sich oft an den Umzugskosten und möglichen Mehrkosten für eine neue Wohnung.
Wenn der Vermieter nach Ihrem Auszug die Wohnung nicht wie angekündigt selbst nutzt oder an die Person überlässt, für die Eigenbedarf geltend gemacht wurde, können Sie Schadensersatz fordern. Dies umfasst typischerweise Umzugskosten, Maklergebühren und die Differenz zwischen alter und neuer Miete für einen angemessenen Zeitraum.
Mehrfache Eigenbedarfskündigungen können auf Rechtsmissbrauch hindeuten, besonders wenn frühere Kündigungen zurückgenommen wurden oder sich der geltend gemachte Eigenbedarf als vorgeschoben herausgestellt hat. Gerichte prüfen in solchen Fällen besonders kritisch, ob tatsächlich ein berechtigtes Interesse vorliegt.
Von Sabine Thomas-Haak

Mit über 20 Jahren Erfahrung stehe ich Ihnen in rechtlichen Angelegenheiten engagiert zur Seite. Ob Erbrecht, Familienrecht oder Immobilienrecht – ich biete Ihnen eine individuelle und lösungsorientierte Beratung.