Testament anfechten: Chancen, Voraussetzungen und Erfolgsaussichten

Die Anfechtung eines Testaments ist nur unter eng definierten gesetzlichen Voraussetzungen möglich. Es müssen konkrete Willensmängel wie Irrtum, Täuschung oder Drohung vorliegen. Der BGH verlangt, dass der Irrtum „eindeutig und zweifelsfrei“ nachgewiesen wird, wobei die Beweisführung oft die größte Herausforderung darstellt. Formfehler hingegen führen direkt zur Unwirksamkeit des Testaments – eine Anfechtung ist in diesen Fällen nicht erforderlich.

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Das Wichtigste im Überblick

  • Die Anfechtung eines Testaments ist nur unter eng definierten gesetzlichen Voraussetzungen möglich (Irrtum, Täuschung, Drohung).
  • Für eine erfolgreiche Testamentsanfechtung gelten strenge Fristen: in der Regel nur ein Jahr ab Kenntnis des Anfechtungsgrundes.
  • Die Erfolgsaussichten hängen maßgeblich von der Beweisbarkeit des Anfechtungsgrundes ab – frühzeitige anwaltliche Beratung kann entscheidend sein.

Wenn der letzte Wille angezweifelt wird

Wurde ich im Testament übergangen? Wurde mein Erbteil zu Unrecht geschmälert? War der Erblasser bei der Testamentserrichtung überhaupt noch geschäftsfähig? Diese Fragen beschäftigen viele Menschen nach dem Tod eines Angehörigen, insbesondere wenn das Testament überraschende oder als ungerecht empfundene Regelungen enthält.

Die Anfechtung eines Testaments stellt eine der wenigen Möglichkeiten dar, gegen den niedergeschriebenen letzten Willen vorzugehen. Doch die Hürden sind hoch und die rechtlichen Voraussetzungen eng definiert. Nicht jedes subjektiv als ungerecht empfundene Testament lässt sich anfechten – der Gesetzgeber schützt den letzten Willen des Erblassers grundsätzlich umfassend.

In diesem Artikel erfahren Sie, unter welchen Umständen eine Testamentsanfechtung Aussicht auf Erfolg hat, welche rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sein müssen und wie Sie im Ernstfall vorgehen sollten.

Rechtliche Grundlagen der Testamentsanfechtung

Definition und gesetzliche Basis

Die Testamentsanfechtung ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Anders als viele vermuten, geht es dabei nicht um die Überprüfung der inhaltlichen Gerechtigkeit einer letztwilligen Verfügung, sondern um die Prüfung, ob bei der Errichtung des Testaments Willensmängel vorlagen.

Die maßgeblichen Paragrafen sind:

  • § 2078 BGB: Anfechtung wegen Irrtums oder Drohung
  • § 2079 BGB: Anfechtung wegen Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten
  • § 2080 BGB: Anfechtungsberechtigung
  • § 2081 BGB: Anfechtungserklärung
  • § 2082 BGB: Anfechtungsfrist
  • § 2083 BGB: Anfechtung durch Dritte
  • § 2084 BGB: Auslegung zugunsten der Wirksamkeit
  • § 2258 BGB: Anfechtung durch den Erblasser selbst

Die Vorschriften zur Anfechtung von Willenserklärungen (§§ 119 ff. BGB) gelten entsprechend, soweit sich aus den speziellen erbrechtlichen Vorschriften nichts anderes ergibt.


Anfechtungsgründe im Detail

Folgende Gründe können eine Testamentsanfechtung rechtfertigen:

  1. Irrtum (§ 2078 Abs. 1 BGB):
    • Irrtum über den Inhalt der Erklärung
    • Irrtum über die Beweggründe
    • Irrtum über die Person des Bedachten
    • Irrtum über den Gegenstand der Zuwendung
  2. Drohung oder arglistige Täuschung (§ 2078 Abs. 2 BGB):
    • Widerrechtliche Drohung durch Dritte
    • Arglistige Täuschung durch Dritte oder den Begünstigten selbst
  3. Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten (§ 2079 BGB):
    • Der Erblasser hat einen Pflichtteilsberechtigten übergangen, dessen Existenz ihm beim Testieren nicht bekannt war
    • Der Pflichtteilsberechtigte wurde erst nach Errichtung des Testaments geboren


Hinweis zu Formfehlern:
Formfehler wie ein nicht eigenhändig geschriebenes oder unterschriebenes Testament führen direkt zur Unwirksamkeit des Testaments. Eine Anfechtung ist in diesen Fällen nicht erforderlich.

Anfechtungsberechtigte Personen

Nicht jeder kann ein Testament anfechten. Anfechtungsberechtigt sind nach § 2080 BGB nur:

  • Derjenige, dem die Aufhebung der letztwilligen Verfügung unmittelbar zustatten kommen würde
  • Bei Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten nur dieser selbst


Dies bedeutet in der Praxis, dass meist nur direkte gesetzliche Erben oder im Testament bedachte Personen anfechtungsberechtigt sind, deren Erbanteil durch die angefochtene Regelung geschmälert wird.

Anfechtungsfristen und Form

Für die Anfechtung eines Testaments gelten strenge Fristen:

  • In der Regel ein Jahr ab Kenntnis des Anfechtungsgrundes (§ 2082 BGB)
  • Absolute Höchstfrist von 30 Jahren ab dem Erbfall
  • Auch bei Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten gilt die einjährige Frist ab Kenntnis des Anfechtungsgrundes (§ 2082 Abs. 1 BGB)


Die Anfechtung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht (§ 2081 BGB). Sie kann nicht unter einer Bedingung oder Zeitbestimmung erfolgen; eine notarielle Beurkundung ist nicht erforderlich.

Hauptaspekte der Testamentsanfechtung

Anfechtung wegen Irrtum

Der Irrtum als häufigster Anfechtungsgrund muss wesentlich sein und kausal für den Testierinhalt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in mehreren Entscheidungen die Anforderungen konkretisiert:

  1. Inhaltsirrtum: Der Erblasser hat sich über den Inhalt seiner Erklärung geirrt, beispielsweise eine falsche Bezeichnung verwendet oder eine fehlerhafte rechtliche Einordnung vorgenommen.
  2. Motivirrtum: Der Erblasser hat aufgrund falscher Tatsachenvorstellungen testiert. Beispiel: Der Erblasser enterbt seinen Sohn, weil er glaubt, dieser habe ihn bestohlen, was tatsächlich nicht der Fall war.
  3. Eigenschaftsirrtum: Der Erblasser irrt sich über wesentliche Eigenschaften einer bedachten Person oder eines zugewendeten Gegenstandes.


Die Rechtsprechung stellt hohe Anforderungen an den Nachweis eines Irrtums. Der BGH verlangt, dass der Irrtum „eindeutig und zweifelsfrei“ nachgewiesen wird.
Lassen Sie sich unbedingt zu Ihrer individuellen Situation beraten. Als erfahrene Rechtsanwältin im Erbrecht stehe ich Ihnen in Frankfurt am Main jederzeit zur Verfügung, um Ihre Erfolgsaussichten realistisch einzuschätzen.

Anfechtung wegen Täuschung oder Drohung

Besonders virulent sind Fälle, in denen der Erblasser durch arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung zu einer Testamentserrichtung veranlasst wurde:

  1. Arglistige Täuschung: Vorspiegelung falscher oder Unterdrückung wahrer Tatsachen mit dem Ziel, den Erblasser zu einer bestimmten letztwilligen Verfügung zu bewegen.
    Beispiel: Ein Pflegebedürftiger wird von seinem Pfleger belogen, seine Kinder würden sich nicht um ihn kümmern, um selbst als Erbe eingesetzt zu werden.
  2. Widerrechtliche Drohung: Ausübung psychischen Drucks auf den Erblasser, um ihn zu einer bestimmten Verfügung zu veranlassen.
    Beispiel: Androhung von Pflegeentzug oder Isolation, wenn der Erblasser nicht testiert wie gewünscht.


Für den Nachweis sind oft Zeugenaussagen, medizinische Gutachten oder dokumentierte Umstände wie starke Abhängigkeitsverhältnisse relevant.

Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten

Ein besonderer Anfechtungsgrund liegt vor, wenn der Erblasser einen Pflichtteilsberechtigten übergeht, dessen Existenz er nicht kannte:

  • Nachträglich geborenes Kind
  • Unbekannte Vaterschaft
  • Irrtümliche Annahme des Todes eines Pflichtteilsberechtigten


Der BGH hat klargestellt, dass dieser Anfechtungsgrund entfällt, wenn der Erblasser den Pflichtteilsberechtigten auch bei Kenntnis seiner Existenz übergangen hätte.

Unwirksamkeit aufgrund von Formfehlern

Formfehler führen direkt zur Unwirksamkeit von Testamenten; eine Anfechtung ist hier nicht erforderlich. Typische Formfehler sind:

  1. Beim eigenhändigen Testament (§ 2247 BGB):
    • Fehlen der eigenhändigen Unterschrift
    • Maschinenschriftliche Erstellung ohne handschriftliche Unterzeichnung
    • Fehlen von Ort und Datum (kann aber geheilt werden)
  2. Beim notariellen Testament (§ 2232 BGB):
    • Fehlende notarielle Beurkundung
    • Mängel im Beurkundungsverfahren
  3. Beim gemeinschaftlichen Testament (§ 2267 BGB):
    • Nichteinhaltung der besonderen Formvorschriften

Praktische Tipps für Betroffene

Frühzeitige Beratung suchen

Bei Verdacht auf Anfechtbarkeit eines Testaments sollten Sie nicht zögern, frühzeitig rechtlichen Rat einzuholen. Aufgrund der kurzen Anfechtungsfristen ist schnelles Handeln geboten. Eine spezialisierte erbrechtliche Beratung kann Ihnen helfen:

  • Die Erfolgsaussichten realistisch einzuschätzen
  • Den passenden Anfechtungsgrund zu identifizieren
  • Die notwendigen Beweise zu sichern

Beweissicherung

Die größte Herausforderung bei Testamentsanfechtungen ist oft die Beweisführung. Sichern Sie daher frühzeitig:

  1. Medizinische Unterlagen des Erblassers, insbesondere bei Fragen der Testierfähigkeit
  2. Korrespondenz zwischen Erblasser und anderen Beteiligten
  3. Zeugenaussagen, solange die Erinnerungen noch frisch sind
  4. Tagebucheinträge oder persönliche Aufzeichnungen des Erblassers
  5. Fotos oder Videos, die den Zustand des Erblassers dokumentieren

Alternativen zur Anfechtung prüfen

Oft gibt es neben der Anfechtung weitere Optionen, die Sie prüfen sollten:

  1. Pflichtteilsansprüche geltend machen: Als enterbter naher Angehöriger haben Sie möglicherweise Anspruch auf den Pflichtteil, der regelmäßig die Hälfte des gesetzlichen Erbteils beträgt.
  2. Auslegung des Testaments: Manchmal kann eine wohlwollende Auslegung nach § 2084 BGB zu besseren Ergebnissen führen als eine Anfechtung.
  3. Erbunwürdigkeit prüfen: Bei schwerwiegendem Fehlverhalten eines Erben kann die Erbunwürdigkeit nach §§ 2339 ff. BGB geltend gemacht werden.
  4. Gütliche Einigung: Oftmals ist eine außergerichtliche Einigung mit den anderen Erben der bessere Weg, um langwierige und kostspielige Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.
    Nehmen Sie gerne Kontakt zu mir auf, um Ihre individuelle Situation zu besprechen und die für Sie beste Strategie zu entwickeln.

Häufig gestellte Fragen

Kann ich ein Testament anfechten, nur weil ich mit dem Inhalt nicht einverstanden bin?
Nein, subjektive Unzufriedenheit mit dem Testamentsinhalt ist kein Anfechtungsgrund. Es müssen konkrete Willensmängel wie Irrtum, Täuschung oder Drohung vorliegen.
In der Regel ein Jahr ab Kenntnis des Anfechtungsgrundes, maximal jedoch 30 Jahre nach dem Erbfall. Diese Frist gilt auch bei Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten.
Nur wer durch die Aufhebung der angefochtenen Bestimmung einen unmittelbaren rechtlichen Vorteil erlangen würde, ist anfechtungsberechtigt – in der Regel also gesetzliche Erben oder im Testament Bedachte.
Bei Demenz steht eher die Frage der Testierfähigkeit im Vordergrund. War der Erblasser bei Testamentserrichtung nicht testierfähig, ist das Testament nichtig, eine Anfechtung ist nicht nötig.
Beweismittel können Zeugenaussagen, schriftliche Äußerungen des Erblassers, medizinische Gutachten oder dokumentierte Umstände sein. Die Beweisführung ist oft die größte Herausforderung.
Die angefochtene Bestimmung wird rückwirkend unwirksam. Wenn das gesamte Testament angefochten wurde, tritt die gesetzliche Erbfolge ein oder ein früheres Testament wird wieder gültig.
Möglich, wenn die Medikamente die freie Willensbildung erheblich beeinträchtigt haben. Entscheidend ist der Grad der Beeinträchtigung und der kausale Zusammenhang zur Testamentserrichtung.
Die Kosten umfassen Anwaltsgebühren, Gerichtskosten und ggf. Sachverständigenkosten. Sie richten sich nach dem Nachlasswert.
Dies ist nur sehr eingeschränkt möglich, insbesondere wenn wechselbezügliche Verfügungen vorliegen und der überlebende Ehegatte bereits Vorteile aus dem Testament angenommen hat.
Diese Frage lässt sich nur nach individueller Prüfung Ihres Falls beantworten. Entscheidend sind die Beweislage, der Wert des streitigen Erbes und Ihre persönlichen Ziele. Vereinbaren Sie gerne einen Beratungstermin, um diese Frage fundiert zu klären.
Von Sabine Thomas-Haak

Mit über 20 Jahren Erfahrung stehe ich Ihnen in rechtlichen Angelegenheiten engagiert zur Seite. Ob Erbrecht, Familienrecht oder Immobilienrecht – ich biete Ihnen eine individuelle und lösungsorientierte Beratung.