Zugewinnausgleich bei Immobilien: Rechtliche Grundlagen und praktische Tipps

Der Zugewinnausgleich bei Immobilien berechnet sich aus der Differenz des Immobilienwerts zwischen Ehebeginn und -ende, wobei der aktuelle Verkehrswert zum Stichtag maßgeblich ist und nicht der historische Kaufpreis. Auch nicht durch Arbeitsleistung verursachte Wertsteigerungen, wie sie durch allgemeine Marktentwicklungen entstehen, sind beim Zugewinnausgleich vollumfänglich zu berücksichtigen. Bei der gemeinsamen Finanzierung einer Immobilie, die nur einem Ehepartner gehört, erhöht die Tilgung dessen Endvermögen, wovon der andere Ehepartner im Rahmen des Zugewinnausgleichs profitiert.

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Das Wichtigste im Überblick

  • Der Zugewinnausgleich bei Immobilien berechnet sich aus der Differenz des Immobilienwerts zwischen Ehebeginn und -ende, wobei der aktuelle Verkehrswert maßgeblich ist.
  • Die Bewertung von Immobilien beim Zugewinnausgleich erfordert oft ein neutrales Gutachten, um Streitigkeiten zu vermeiden.
  • Durch einen notariellen Ehevertrag kann die gesetzliche Zugewinngemeinschaft modifiziert oder vollständig ausgeschlossen werden.

Relevanz des Themas Zugewinnausgleich bei Immobilien

Befinden Sie sich in einer Trennungssituation oder planen Sie eine Eheschließung und besitzen eine Immobilie? Dann werden Sie sich unweigerlich mit dem Thema Zugewinnausgleich auseinandersetzen müssen. Als Fachanwältin für Familienrecht in Frankfurt am Main erlebe ich täglich, wie komplex und emotional belastend dieses Thema für meine Mandanten sein kann.

In diesem Artikel erfahren Sie alles Wichtige zum Zugewinnausgleich bei Immobilien: von den rechtlichen Grundlagen bis hin zu praktischen Handlungsempfehlungen. Ziel ist es, Ihnen Klarheit zu verschaffen und Sie in die Lage zu versetzen, fundierte Entscheidungen treffen zu können.

Rechtliche Grundlagen des Zugewinnausgleichs bei Immobilien

Was ist der Zugewinnausgleich?

Der Zugewinnausgleich ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in den §§ 1363-1390 geregelt. Er basiert auf dem gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, der automatisch mit der Eheschließung eintritt, sofern die Ehepartner keinen abweichenden Ehevertrag geschlossen haben.

Entgegen häufiger Missverständnisse bedeutet die Zugewinngemeinschaft nicht, dass während der Ehe erworbenes Vermögen beiden Ehepartnern gemeinsam gehört. Vielmehr bleibt jeder Ehepartner Eigentümer seines vor und während der Ehe erworbenen Vermögens. Erst bei Beendigung des Güterstands – typischerweise durch Scheidung – erfolgt ein finanzieller Ausgleich des während der Ehe erwirtschafteten Vermögenszuwachses.

Wie wird der Zugewinnausgleich berechnet?

Die Berechnung des Zugewinnausgleichs folgt einem klaren Schema gemäß § 1373 ff. BGB:

  1. Ermittlung des Endvermögens jedes Ehepartners zum Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags (§ 1375 BGB)
  2. Ermittlung des Anfangsvermögens jedes Ehepartners zum Zeitpunkt der Eheschließung (§ 1374 BGB)
  3. Berechnung des Zugewinns jedes Ehepartners durch Subtraktion des Anfangsvermögens vom Endvermögen
  4. Derjenige Ehepartner mit dem höheren Zugewinn muss die Hälfte des Unterschiedsbetrags an den anderen Ehepartner zahlen (§ 1378 BGB)

Besonderheiten bei Immobilien

Bei Immobilien gelten einige Besonderheiten für den Zugewinnausgleich:

  1. Bewertung zum Verkehrswert: Immobilien werden mit ihrem aktuellen Verkehrswert zum Stichtag bewertet, nicht mit dem historischen Kaufpreis oder dem Einheitswert.
  2. Berücksichtigung von Wertsteigerungen: Auch nicht durch Arbeitsleistung verursachte Wertsteigerungen (z.B. durch allgemeine Marktentwicklung) sind beim Zugewinnausgleich zu berücksichtigen.
  3. Schulden und Belastungen: Bestehende Darlehen mindern den Wert der Immobilie (§ 1375 Abs. 1 Satz 1 BGB).
  4. Inflationsausgleich: Das Anfangsvermögen wird gemäß § 1376 Abs. 2 BGB inflationsbereinigt, wenn es sich um Vermögen handelt, das ein Ehegatte durch Erbschaft, Schenkung oder als Ausstattung erworben hat, um die Kaufkraftentwicklung zu berücksichtigen.
  5. Privilegierung von Schenkungen und Erbschaften: Erhält ein Ehepartner während der Ehe eine Immobilie als Schenkung oder Erbschaft, wird diese dem Anfangsvermögen (§ 1374 Abs. 2 BGB) zugerechnet, sodass sich der Zugewinn nicht erhöht.

Hauptaspekte des Zugewinnausgleichs bei Immobilien

Bewertung von Immobilien

Die korrekte Bewertung der Immobilie ist entscheidend für einen fairen Zugewinnausgleich. Hierbei sind verschiedene Methoden anerkannt:

  1. Vergleichswertverfahren: Ermittlung des Werts durch Vergleich mit ähnlichen Immobilien in der Region (§ 15 ImmoWertV)
  2. Sachwertverfahren: Berechnung des Werts auf Basis der Herstellungskosten und des Bodenwerts (§ 21 ImmoWertV)
  3. Ertragswertverfahren: Bewertung anhand der zu erwartenden Mieteinnahmen (§ 17 ImmoWertV)


In der Praxis empfehle ich fast immer die Einholung eines neutralen Sachverständigengutachtens durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Immobiliensachverständigen. Dies vermeidet Streitigkeiten und schafft eine solide Grundlage für den Zugewinnausgleich.

Finanzierung und Tilgung während der Ehe

Bei der gemeinsamen Finanzierung einer Immobilie stellt sich die Frage, wie Tilgungsleistungen beim Zugewinnausgleich zu berücksichtigen sind:

  1. Gemeinsame Finanzierung: Wenn beide Ehepartner zur Tilgung beigetragen haben, aber die Immobilie nur einem Ehepartner gehört, erhöht dies dessen Endvermögen. Der andere Ehepartner profitiert davon im Rahmen des Zugewinnausgleichs. In besonderen Fällen kann daneben ein zusätzlicher Ausgleichsanspruch bestehen, wenn das Ergebnis ansonsten unbillig wäre.
  2. Alleinige Finanzierung durch einen Ehepartner: Wenn ein Ehepartner allein getilgt hat, erhöht dies seinen Zugewinn, während der andere Ehepartner davon profitiert.
  3. Finanzierung aus Schenkungen oder Erbschaften: Wurden Tilgungen aus privilegiertem Vermögen geleistet, sind diese entsprechend zu berücksichtigen.

Eigentumsformen und ihre Auswirkungen

Die gewählte Eigentumsform der Immobilie hat erhebliche Auswirkungen auf den Zugewinnausgleich:

  1. Alleineigentum eines Ehepartners: Die Immobilie wird vollständig im Vermögen des Eigentümers berücksichtigt.
  2. Miteigentum (z.B. zu je 1/2): Jeder Ehepartner berücksichtigt seinen Anteil in seiner Zugewinnberechnung.
  3. Immobilie im Gesamthandseigentum: Selten, aber möglich ist die Übertragung einer Immobilie in das Gesamthandsvermögen beider Ehepartner, was besondere Berechnungsmethoden erfordert.


Bemerkenswert ist, dass die bloße Eintragung beider Ehepartner im Grundbuch nicht ausreicht, um einen Anspruch auf hälftige Beteiligung am Wert der Immobilie zu begründen. Es kommt auf die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse an, die sich nach dem Erwerbsvorgang richten.

Wertveränderungen während der Ehe

Die Wertentwicklung von Immobilien während der Ehe kann erheblich sein und speist sich aus verschiedenen Quellen:

  1. Marktbedingte Wertsteigerungen: Diese sind voll ausgleichspflichtig, auch wenn sie ohne Zutun der Ehepartner entstanden sind.
  2. Investitionen und Renovierungen: Wertsteigerungen durch Investitionen sind zu berücksichtigen, wobei zwischen werterhaltenden und wertsteigernden Maßnahmen zu unterscheiden ist.
  3. Abschreibungen und Wertminderungen: Auch negative Wertentwicklungen fließen in die Berechnung ein.


Marktbedingte Wertsteigerungen einer Immobilie sind beim Zugewinnausgleich zu berücksichtigen, auch wenn sie nicht auf der Arbeits- oder Wirtschaftsleistung der Eheleute beruhen.

Praktische Tipps für Betroffene

Vor der Ehe oder frühzeitig während der Ehe

  1. Dokumentieren Sie das Anfangsvermögen: Erstellen Sie ein Vermögensverzeichnis zu Beginn der Ehe mit Bewertung der Immobilie und anderen Vermögenswerten.
  2. Ehevertrag erwägen: Ein notarieller Ehevertrag kann den Zugewinnausgleich modifizieren oder ausschließen, besonders bei vorhandenen Immobilien sinnvoll.
  3. Eigentumsverhältnisse klar regeln: Bei gemeinsamer Finanzierung sollten die Eigentumsverhältnisse dem tatsächlichen Beitrag entsprechen.
  4. Investitionen dokumentieren: Halten Sie fest, wer welche Investitionen in die Immobilie tätigt und aus welchen Mitteln diese finanziert werden.

Bei drohender Trennung

  1. Frühzeitige Bewertung: Lassen Sie die Immobilie frühzeitig durch einen Sachverständigen bewerten.
  2. Vermögensstatus ermitteln: Erstellen Sie eine Übersicht aller Vermögenswerte und Verbindlichkeiten.
  3. Berechnungen durchführen: Führen Sie vorläufige Berechnungen zum möglichen Zugewinnausgleich durch.
  4. Rechtsberatung einholen: Konsultieren Sie einen Fachanwalt für Familienrecht, um Ihre Rechte und Pflichten zu klären.

Nach Einreichung des Scheidungsantrags

  1. Sachverständigengutachten: Beauftragen Sie bei Uneinigkeit über den Immobilienwert ein Sachverständigengutachten.
  2. Verhandlungsbereitschaft zeigen: Häufig ist eine einvernehmliche Lösung für beide Seiten vorteilhafter als ein langwieriger Rechtsstreit.
  3. Finanzierungsoptionen prüfen: Klären Sie frühzeitig, wie ein möglicher Ausgleichsanspruch finanziert werden kann.
  4. Steuerliche Aspekte beachten: Berücksichtigen Sie steuerliche Auswirkungen verschiedener Lösungen, insbesondere bei Immobilienübertragungen.


In meiner langjährigen Praxis als Fachanwältin für Familienrecht in Frankfurt habe ich die Erfahrung gemacht, dass eine frühzeitige, fundierte Beratung und ein offener Dialog zwischen den Ehepartnern oft der Schlüssel zu einer fairen und zügigen Lösung sind. Gerne unterstütze ich Sie dabei, Ihre individuellen Optionen zu prüfen und die für Sie beste Strategie zu entwickeln.

Häufig gestellte Fragen

Wird eine Immobilie bei der Scheidung immer durch den Zugewinnausgleich berücksichtigt?
Ja, sofern der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft besteht und kein Ehevertrag mit abweichenden Regelungen geschlossen wurde, ist die Immobilie im Rahmen des Zugewinnausgleichs zu berücksichtigen.
Nein, ein Verkauf ist nicht zwingend erforderlich. Die Immobilie wird lediglich mit ihrem aktuellen Verkehrswert in die Berechnung des Zugewinnausgleichs einbezogen. Der ausgleichspflichtige Ehepartner kann den Ausgleich auch auf andere Weise finanzieren.
Der Wert wird als Verkehrswert (Marktwert) zum Stichtag ermittelt. Bei Uneinigkeit empfiehlt sich die Einholung eines neutralen Sachverständigengutachtens.
Ja, auch nicht durch Arbeitsleistung verursachte Wertsteigerungen, wie sie durch allgemeine Marktentwicklungen entstehen, sind beim Zugewinnausgleich zu berücksichtigen.
Der Erlös aus dem Verkauf wird dem Endvermögen zugerechnet. Bei manipulativen Verkäufen zu einem unangemessen niedrigen Preis kann der tatsächliche Verkehrswert angesetzt werden.
Das Darlehen wird bei der Bewertung der Immobilie als Verbindlichkeit berücksichtigt und mindert somit den Vermögenswert.
Ja, durch einen notariellen Ehevertrag können Sie den Zugewinnausgleich modifizieren oder vollständig ausschließen. Dieser muss jedoch bestimmten Fairnessanforderungen genügen, um wirksam zu sein.
Die Eintragung im Grundbuch begründet eine Eigentumsvermutung. Kann jedoch nachgewiesen werden, dass die Eintragung des anderen Ehepartners ohne Gegenleistung erfolgte, kann dies bei der Vermögensauseinandersetzung berücksichtigt werden.
Der Anspruch auf Zugewinnausgleich verjährt innerhalb von drei Jahren nach Rechtskraft der Scheidung.
Von Sabine Thomas-Haak

Mit über 20 Jahren Erfahrung stehe ich Ihnen in rechtlichen Angelegenheiten engagiert zur Seite. Ob Erbrecht, Familienrecht oder Immobilienrecht – ich biete Ihnen eine individuelle und lösungsorientierte Beratung.