Unterhalt nach der Scheidung: Ihre Rechte und Ansprüche verstehen

Der nacheheliche Unterhalt ist nicht automatisch gewährt, sondern setzt bestimmte gesetzliche Voraussetzungen wie Kinderbetreuung, Krankheit oder erfolglose Arbeitssuche voraus, da das Gesetz grundsätzlich die Eigenverantwortung jedes geschiedenen Ehegatten betont. Die Höhe und Dauer des Unterhalts richten sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen und der individuellen Situation, wobei längere Ehen mit ausgeprägter Rollenverteilung eher zu langfristigen Ansprüchen führen können.

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Das Wichtigste im Überblick

  • Nachehelicher Unterhalt ist nicht automatisch gewährt, sondern nur bei Vorliegen bestimmter gesetzlicher Voraussetzungen 
  • Eigenverantwortung hat Vorrang – grundsätzlich muss jeder Ehegatte nach der Scheidung für seinen Lebensunterhalt selbst sorgen 
  • Verschiedene Unterhaltsarten wie Betreuungsunterhalt, Erwerbslosenunterhalt oder Aufstockungsunterhalt kommen je nach Lebenssituation in Betracht

Einleitung: Die Bedeutung des nachehelichen Unterhalts

Die Frage nach dem Unterhalt nach der Scheidung beschäftigt viele Frauen und Männer, die vor dem Ende ihrer Ehe stehen. Anders als während der Ehe oder in der Trennungszeit gelten nach der rechtskräftigen Scheidung andere Grundsätze. Das Gesetz geht davon aus, dass jeder geschiedene Ehegatte grundsätzlich selbst für seinen Lebensunterhalt verantwortlich ist.

Diese Eigenverantwortung bedeutet jedoch nicht, dass nachehelicher Unterhalt grundsätzlich ausgeschlossen ist. Unter bestimmten Voraussetzungen kann durchaus ein Anspruch bestehen. Die rechtlichen Regelungen sind komplex und berücksichtigen sowohl die wirtschaftlichen Verhältnisse der ehemaligen Ehegatten als auch die konkreten Lebensumstände nach der Scheidung.

Rechtliche Grundlagen des nachehelichen Unterhalts

Der nacheheliche Unterhalt ist in den §§ 1569 ff. BGB geregelt. Das Gesetz folgt dem Grundprinzip der Eigenverantwortung, wie es in § 1569 BGB festgelegt ist. Nach einer Scheidung ist jeder Ehegatte verpflichtet, seinen Unterhalt grundsätzlich selbst zu bestreiten.
Von diesem Grundsatz gibt es jedoch wichtige Ausnahmen. Die einzelnen Anspruchstatbestände finden sich in den §§ 1570 bis 1576 BGB, wobei § 1576 BGB einen Auffangtatbestand für sonstige außergewöhnliche Umstände darstellt. Ergänzend sind § 1572 BGB (Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen) und § 1574 BGB (Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit) sowie § 1578b BGB (Herabsetzung und zeitliche Begrenzung) von Bedeutung.

Ein zentraler Aspekt ist die Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten. Diese liegt vor, wenn der angemessene Lebensbedarf nicht durch eigenes Einkommen oder Vermögen gedeckt werden kann. Gleichzeitig muss der andere Ehegatte leistungsfähig sein, also nach Deckung seines eigenen angemessenen Lebensbedarfs noch finanziellen Spielraum haben.

Die Berechnung des Unterhalts erfolgt nach komplexen Regeln, die sowohl die ehelichen Lebensverhältnisse als auch die nachscheidungszeitlichen Umstände berücksichtigen. Dabei spielen Faktoren wie die Dauer der Ehe, die Rollenverteilung während der Ehe und die jeweiligen Erwerbsmöglichkeiten eine wichtige Rolle.

Die verschiedenen Arten des nachehelichen Unterhalts

Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB

Der Betreuungsunterhalt ist wohl die praktisch wichtigste Form des nachehelichen Unterhalts. Er steht dem Ehegatten zu, der ein gemeinschaftliches Kind betreut, welches das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat. In dieser Zeit wird eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet.

Nach dem dritten Geburtstag des Kindes endet der Betreuungsunterhalt nicht automatisch. Vielmehr ist zu prüfen, ob eine Erwerbstätigkeit dem betreuenden Elternteil zumutbar ist. Dabei sind kindbezogene, elternbezogene und ehebedingte Gründe zu berücksichtigen.

Kindbezogene Gründe können beispielsweise besondere Betreuungsbedürfnisse aufgrund einer Behinderung oder Krankheit des Kindes sein. Elternbezogene Gründe umfassen die persönlichen Umstände des betreuenden Elternteils, wie etwa gesundheitliche Einschränkungen oder fehlende Betreuungsmöglichkeiten.

Die ehebedingten Gründe berücksichtigen, inwieweit die Rollenverteilung während der Ehe die nachscheidungszeitlichen Erwerbsmöglichkeiten beeinflusst. Je länger die Ehe und je prägender die Hausfrauenrolle war, desto eher können ehebedingte Nachteile angenommen werden.

Unterhalt wegen Krankheit nach § 1572 BGB

Ist ein geschiedener Ehegatte aufgrund einer körperlichen oder geistigen Krankheit oder eines körperlichen oder geistigen Gebrechens außerstande, eine Erwerbstätigkeit auszuüben, kann er Unterhalt nach § 1572 BGB verlangen. Die Krankheit oder das Gebrechen muss dabei zur Zeit der Scheidung vorgelegen haben oder später eingetreten sein.

Entscheidend ist, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen eine Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise unmöglich machen. Bei nur teilweiser Erwerbsunfähigkeit kann ergänzend Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB in Betracht kommen.

Erwerbslosenunterhalt nach § 1573 BGB

Der Erwerbslosenunterhalt kommt in Betracht, wenn ein geschiedener Ehegatte trotz intensiver Bemühungen keine angemessene Erwerbstätigkeit findet. Dabei muss eine ernsthafte und zielgerichtete Arbeitsplatzsuche nachgewiesen werden.

Das Gesetz verlangt nicht die Aufnahme jeder beliebigen Tätigkeit. Vielmehr muss die Erwerbstätigkeit angemessen sein. Bei der Bestimmung der Angemessenheit werden die Ausbildung, die Fähigkeiten, die während der Ehe ausgeübte Tätigkeit und die ehelichen Lebensverhältnisse berücksichtigt.

Mit zunehmendem zeitlichen Abstand zur Scheidung wachsen die Anforderungen an die Eigenverantwortung, jedoch ist stets eine umfassende Einzelfallprüfung vorzunehmen, die alle relevanten Umstände berücksichtigt.

Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB

Wenn das Einkommen aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit nicht ausreicht, um den vollen Unterhaltsbedarf zu decken, kann Aufstockungsunterhalt verlangt werden. Diese Unterhaltsart ist besonders relevant bei Teilzeitbeschäftigungen oder geringer entlohnten Tätigkeiten.

Der Aufstockungsunterhalt setzt voraus, dass der Unterhaltsberechtigte trotz Ausübung einer angemessenen Erwerbstätigkeit seinen vollen Unterhaltsbedarf nicht decken kann. Die Differenz zwischen dem tatsächlich erzielten Einkommen und dem Unterhaltsbedarf wird dann durch den Aufstockungsunterhalt ausgeglichen.

Ausbildungsunterhalt nach § 1575 BGB

Der Ausbildungsunterhalt ermöglicht es einem geschiedenen Ehegatten, eine Schul- oder Berufsausbildung zu absolvieren oder fortzusetzen. Voraussetzung ist, dass die Ausbildung aufgrund der Ehe nicht begonnen oder abgebrochen wurde oder dass eine Ausbildung zur Erlangung einer angemessenen Erwerbstätigkeit erforderlich ist.

Diese Unterhaltsart berücksichtigt, dass während einer längeren Ehe oft berufliche Entwicklungsmöglichkeiten zugunsten der Familie zurückgestellt werden. Der Ausbildungsunterhalt soll es ermöglichen, diese Nachteile auszugleichen und eine eigenständige Lebensführung zu erreichen.

Berechnung und Höhe des nachehelichen Unterhalts

Die Höhe des nachehelichen Unterhalts richtet sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Maßgeblich ist der Lebensbedarf, der sich aus der Gestaltung des Zusammenlebens während der Ehe ergibt. Dabei werden sowohl die Einkommen als auch die Vermögensverhältnisse der Ehegatten berücksichtigt.

Der Unterhaltsbedarf wird anhand verschiedener Faktoren ermittelt. Dazu gehören die Wohnkosten, die allgemeinen Lebenshaltungskosten, Kosten für Krankenversicherung und Altersvorsorge sowie weitere berechtigte Ausgaben. Für die Berechnung des nachehelichen Unterhalts werden die Unterhaltsleitlinien der Oberlandesgerichte herangezogen, die insbesondere Vorgaben zum Ehegattenunterhalt enthalten; für Kindesunterhalt wird zusätzlich die Düsseldorfer Tabelle verwendet.

Ein wichtiger Grundsatz ist, dass der Unterhaltspflichtige nach Zahlung des Unterhalts noch ausreichende Mittel für seinen eigenen angemessenen Lebensbedarf behalten muss. Der Selbstbehalt sichert die wirtschaftliche Existenz des Unterhaltspflichtigen und verhindert, dass dieser durch die Unterhaltszahlung selbst bedürftig wird.

Bei der Einkommensermittlung werden nicht nur tatsächlich erzielte Einkünfte berücksichtigt, sondern auch fiktive Einkünfte. Wenn ein Ehegatte weniger verdient, als er bei angemessener Erwerbstätigkeit verdienen könnte, kann ihm ein entsprechendes Einkommen zugerechnet werden.

Besondere Aspekte bei höheren Einkommen

Bei Ehen mit höheren Einkommen gelten teilweise andere Maßstäbe. Die Angemessenheit einer Erwerbstätigkeit orientiert sich dann nicht nur an der objektiven Qualifikation, sondern auch an den gewohnten Lebensstandards. Eine Führungskraft muss sich nicht auf jede beliebige Stelle bewerben.

Gleichzeitig können bei höheren Einkommen auch die Unterhaltsbeträge entsprechend höher ausfallen. Die Berechnung erfolgt dann oft nicht mehr nach standardisierten Tabellen, sondern muss individuell ermittelt werden.

Bei komplexen Vermögensverhältnissen spielen auch steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten eine wichtige Rolle. Der Realsplitting-Tarif kann steuerliche Vorteile bringen, wenn Unterhaltszahlungen als Sonderausgaben geltend gemacht und beim Empfänger als Einkünfte versteuert werden.

Praktische Tipps für Betroffene

Dokumentation der ehelichen Verhältnisse

Bereits während der Trennungszeit sollten Sie die ehelichen Lebensverhältnisse sorgfältig dokumentieren. Sammeln Sie Belege über das gemeinsame Einkommen, die Vermögenssituation und die Rollenverteilung während der Ehe. Diese Unterlagen sind später für die Beurteilung des Unterhaltsanspruchs von entscheidender Bedeutung.

Besonders wichtig ist die Dokumentation der Kinderbetreuung. Wer hat wie viel Zeit mit den Kindern verbracht? Welche beruflichen Einschränkungen gab es aufgrund der Kinderbetreuung? Diese Fragen können später für den Betreuungsunterhalt relevant werden.

Erwerbsobliegenheit ernst nehmen

Falls eine Erwerbsobliegenheit besteht, sollten Sie diese ernst nehmen und aktiv nach einer angemessenen Beschäftigung suchen. Führen Sie ein Bewerbungstagebuch und dokumentieren Sie Ihre Bemühungen. Dies kann später bei der Geltendmachung von Erwerbslosenunterhalt hilfreich sein.

Bei der Arbeitsplatzsuche sollten Sie realistisch bleiben. Was nach langjähriger Familienphase zumutbar ist, kann sich von Ihren ursprünglichen beruflichen Vorstellungen unterscheiden. Gleichzeitig müssen Sie sich nicht unter Wert verkaufen – die Erwerbstätigkeit muss angemessen sein.

Frühzeitige rechtliche Beratung

Unterhaltsrecht ist komplex und stark einzelfallabhängig. Eine frühzeitige rechtliche Beratung kann helfen, realistische Erwartungen zu entwickeln und die richtigen Schritte einzuleiten. Dabei sollten auch steuerliche Aspekte berücksichtigt werden, die sich durch veränderte Lebensverhältnisse ergeben.

In Frankfurt am Main profitieren Sie von der besonderen Expertise lokaler Anwälte, die mit den Gepflogenheiten der hiesigen Familiengerichte vertraut sind. Diese Kenntnisse können bei der strategischen Ausrichtung Ihres Verfahrens von großem Vorteil sein.

Checkliste: Ihre nächsten Schritte

Sofortige Maßnahmen:

  • Sammeln Sie alle Unterlagen zu den ehelichen Lebensverhältnissen
  • Dokumentieren Sie Ihre aktuelle Einkommens- und Vermögenssituation
  • Erstellen Sie eine Aufstellung Ihrer monatlichen Ausgaben
  • Informieren Sie sich über Ihre beruflichen Möglichkeiten

Mittelfristige Planung:

  • Lassen Sie Ihre Unterhaltsansprüche rechtlich prüfen
  • Entwickeln Sie einen realistischen Plan für Ihre berufliche Zukunft
  • Klären Sie Fragen der Kinderbetreuung und deren Finanzierung
  • Berücksichtigen Sie steuerliche Aspekte bei Unterhaltsvereinbarungen

Langfristige Perspektive:

  • Bauen Sie Ihre berufliche Eigenständigkeit systematisch auf
  • Sorgen Sie für eine angemessene Altersvorsorge
  • Halten Sie Ihre Unterhaltsvereinbarungen bei veränderten Umständen aktuell

Die Planung Ihrer finanziellen Zukunft nach der Scheidung erfordert eine ganzheitliche Betrachtung. Neben den rechtlichen Aspekten spielen auch persönliche, berufliche und steuerliche Überlegungen eine wichtige Rolle.

Häufig gestellte Fragen

Bekommt die Frau automatisch Unterhalt nach der Scheidung?

Nein, nachehelicher Unterhalt wird nicht automatisch gewährt. Es müssen bestimmte gesetzliche Voraussetzungen erfüllt sein, wie Kinderbetreuung, Erwerbslosigkeit trotz Bemühungen oder andere Unterhaltstatbestände.

Die Dauer hängt vom konkreten Unterhaltsgrund ab. Betreuungsunterhalt kann bei intensiver Kinderbetreuung länger dauern, während andere Unterhaltsarten oft zeitlich begrenzt werden, um die Eigenverantwortung zu fördern.

Ja, nachehelicher Unterhalt kann zeitlich begrenzt oder der Höhe nach herabgesetzt werden, wenn die ehebedingten Nachteile ausgeglichen sind und eine vollständige Eigenversorgung möglich ist.

Die Ehedauer ist ein wichtiger Faktor. Bei sehr kurzen Ehen (unter 3 Jahren) sind Unterhaltsansprüche seltener. Bei langen Ehen mit ausgeprägter Rollenverteilung können dagegen langfristige Ansprüche entstehen.

Sie müssen nur eine angemessene Erwerbstätigkeit aufnehmen. Die Angemessenheit richtet sich nach Ihrer Ausbildung, Ihren Fähigkeiten und den ehelichen Lebensverhältnissen. Mit der Zeit steigen allerdings die Zumutbarkeitsanforderungen.

Bei berechtigten Unterhaltsansprüchen können Sie diese gerichtlich durchsetzen. Ein vollstreckbarer Unterhaltstitel ermöglicht es, notfalls auch Zwangsmaßnahmen wie Lohnpfändungen oder Kontopfändungen zu ergreifen.

Mit der Wiederheirat erlischt der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt gemäß § 1586 Abs. 1 BGB automatisch. Auch eine verfestigte Lebensgemeinschaft (§ 1579 Nr. 2 BGB), die typischerweise nach längerer Zeit – regelmäßig etwa nach zwei bis drei Jahren – gemeinsamen Lebens angenommen wird, kann zur Versagung oder Herabsetzung des Unterhalts führen. Maßgeblich sind jedoch stets die Gesamtumstände.

Bei beidseitiger Erwerbstätigkeit wird die Differenz der bereinigten Nettoeinkommen ermittelt. Der besser verdienende Partner muss dann einen bestimmten Prozentsatz dieser Differenz als Unterhalt zahlen, sofern die übrigen Voraussetzungen vorliegen.

Zusätzlich zum Grundunterhalt können Krankenversicherungskosten, Altersvorsorgebeiträge und unter Umständen auch Mehrbedarf für besondere Situationen verlangt werden. Die konkreten Möglichkeiten hängen vom Einzelfall ab.

Führen Sie ein detailliertes Bewerbungstagebuch und bemühen Sie sich ernsthaft um eine angemessene Stelle. Nutzen Sie alle verfügbaren Hilfsmittel wie Arbeitsagenturen, Online-Plattformen und persönliche Netzwerke. Die Intensität Ihrer Bemühungen kann später rechtlich relevant werden.

Von Sabine Thomas-Haak

Mit über 20 Jahren Erfahrung stehe ich Ihnen in rechtlichen Angelegenheiten engagiert zur Seite. Ob Erbrecht, Familienrecht oder Immobilienrecht – ich biete Ihnen eine individuelle und lösungsorientierte Beratung.